Aktuelle Lehrveranstaltungen

Un/Wrapping Amateurtheater
Transkulturelle Zusammenarbeit im Rahmen des Festivals Theaterwelten 2021

Darina Startseva, Stephan Schnell

Theaterwelten is a festival on a level playing field. Therefore, all six regions of the world (Europe, Asia, Africa, Australia and Oceania, North and South America) shall be represented during Theaterwelten; each one with one workshop and one performance. Theatre is a social force. Theaterwelten believes that theatre can generate social chance to face geopolitical realities and to overcome borders in a rather playful sense, in a quite easy way.” So ist der konzeptionelle Anspruch in der Ausschreibung formuliert. Theaterwelten befragt die Hüllen und Verpackungen, in denen Amateurtheater sich zeigt, gesehen wird und entpuppt in globaler Perspektive.
Aber Theaterwelten 2021 ist ein Theaterfestival in Zeiten der Pandemie. Es wird erstmals als hybrides, digital-analoges Format geplant. Wie lässt sich so transkulturelle Zusammenarbeit ins Spiel bringen? Wie viel Präsenz wird möglich sein? Wie kann digitale Teilhabe organisiert werden? Wie können die Dimensionen der Gemeinschaft und Geselligkeit dem Gebot des social distancing begegnen? Diese Fragen sind nicht nur praktische Herausforderungen, sondern schlagen auch auf die inhaltliche Arbeit zurück.
Nach einer Einführung in die theoretischen und konzeptionellen Ansätze dieses noch jungen Festivals und seine strukturellen und finanziellen Rahmenbedingungen, soll diesen Fragen in Kleingruppen konkret nachgegangen werden. Arbeitsfelder wären etwa die Kommunikation über das Festival und die beteiligten Gruppen auf dem Theaterweltenblog, Instagram oder anderen social media, die Kommunikation mit einzelnen Gruppen und die kollaborative Entwicklung geeigneter digitaler Formate oder die Ausgestaltung und Koordination des Fachforums zu „Männlichkeitsbildern im Amateurtheater“. Eine aktive Teilnahme am Festival in Rudolstadt oder digital vom 17. bis 20. Juni ist Teil des Seminarplanes.

Mehr Infos zum Festival Theaterwelten gibt es hier.

Blickrichtung(en) -
theaterpädagogische Vermittlungsansätze

Louisa Grote

Was verbirgt sich hinter dem Begriff Theaterpädagogik und, ganz konkret, wie sieht theaterpädagogische Arbeit aus? Wo verortet sich die Disziplin im Spannungsfeld zwischen Kunst und Vermittlung? Wohin richten wir unseren Blick beim Theaterschauen und Theatermachen?

In der Veranstaltung geht es darum verschiedene Vermittlungsansätze kennen zu lernen, vor allem aber Methoden und Formate der Nachbereitung selbst zu erproben und schließlich zu entwickeln. Dabei wird der Blick sowohl auf die Seite des Zuschauens als auch die des Anleitens gerichtet. Angekoppelt ist die Veranstaltung an das stellwerk – junges theater in Weimar. Dort finden drei Veranstaltungsblöcke mit Aufführungsbesuchen von „Schwanensee“, „Sex Education“ und „Draußen“ statt. In Kleingruppen wird zu den Neuinszenierungen jeweils ein spezifisches Nachbereitungsformat erarbeitet, das dann mit Zuschauer*innen am stellwerk durchgeführt werden kann. Das stellwerk ist ein junges Theater, das Inszenierungen mit verschiedenen Ensembles aus jugendlichen Spieler*innen zeigt, in denen zeitgenössische Themen in diversen Formen behandelt werden. Außerdem bietet es ein Kurssystem für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sowie zahlreiche Workshops an. Informationen zum stellwerk und den Inszenierungen gibt es hier.

Flugversuche: Brechts Lehrstück hybrid

Anja-Christin Winkler

Zum Festival Deutsche Kammermusik BadenBaden im Juli 1929 wurde Bertolt Brecht eingeladen, mit zwei Stücken zu den beiden Programmschwerpunkten „Komposition für den Rundfunk“ und „Gemeinschaftsmusik“ beizutragen. Zusammen mit den Komponisten Kurt Weill und Paul Hindemith entstanden so das Radioexperiment Der Lindberghflug und das Lehrstück als musikpädagogisches TheaterExperiment. Beide Stücke beziehen sich auf die ersten Versuche, den Atlantik mit einem Motorflugzeug zuüberqueren: Charles Lindbergh gelang ein Nonstopflug von New York nach Paris, Charles Nungesser und François Coli flogen von Frankreich aus, erreichten ihr Ziel aber nicht, sind vermutlich abgestürzt. Das Thema von Flug und Absturz hat eine lange Vorgeschichte, bereits in der antiken Mythologie, nicht nur in der Figur des Ikarus, sondern auch mit dem Halbgott Phaeton. Der Sage nach bestand er darauf, den Sonnenwagen seines Vaters Helios zu führen. Er verliert jedoch die Kontrolle und reißt die Erde in ein galaktisches Inferno, in ein „MegaGlobalWarming“. Der Gott Zeus kann gerade noch den Weltuntergang verhindern, indem er Phaeton mit einem Blitz abschießt, eine verkohlte Leiche stürzt zur Erde. Der heute wieder aktuell erscheinende Stoff wurde in einem Tragödienfragment von Euripides überliefert und von Goethe bearbeitet, außerdem ist die Geschichte in den Metamorphosen des Ovid beschrieben, wonach auch zwei Barockopern von JeanBaptiste Lully und Niccolo Jommelli entstanden.

Die FliegerFiguren Lindbergh, Nungesser und Phaeton zu kombinieren, ihre Geschichten collageartig zu verbinden ist die Idee für ein partizipatives Musiktheaterstück, das Ende des Wintersemesters 2021/22 an der HMT aufgeführt werden soll. Im Sommersemester geht es zunächst um Brecht: Die theoretische und praktische Auseinandersetzung mit den beiden Lehrstücken ist der Inhalt dieses Seminars. Als erstes steht das Hörstück Der Lindberghflug im Fokus. Im Radioexperiment von 1929 sollten die Hörenden zu Hause durch Mitsingen der Rolle des Fliegers aktiv teilnehmen. Im Seminar wollen wir das Experiment mit Hilfe von OnlinePlattformen nachstellen. Schon Brecht musste einsehen, dass die Aktivierung der Hörenden nur die Identifizierung mit einem gefeierten Helden förderte, weshalb er mit der neuen Fassung Der Flug der Lindberghs die Gemeinschaft ins Zentrum rückte. Diese Neufassung werden wir uns anschauen und vergleichen mit den Erkenntnissen, die wir aus unserem eigenen MedienExperiment gewinnen.

Im Lehrstück, einem Musiktheaterstück in Form einer Gerichtsverhandlung geht es um den abgestürzten Flieger Nungesser. Hier wurde das Publikum beteiligt durch Mitsingen der Partien von Chor und Menge. Die im Lindberghflug noch kaum gebrochene Technikeuphorie erscheint nun fragwürdig: wem nützt die Technik, wofür? Im Seminar soll auch eine digitale Version des Lehrstücks erarbeitet werden, in Zusammenarbeit mit einigen Studierenden der Musikpädagogik von der HMT Leipzig und als Vorstudie für das Projekt im Winter.